12.05.2022 - CarbonFreed

Marko Ibsch ist ein großer Freund von Zeitersparnis. Sein Startup CarbonFreed hilft Solarteuren, beim Einreichen von Zertifizierungsanträgen für Solaranlagen vom Typ B mit 135 bis 950 Kilowatt schneller zu sein als bisher. Möglich macht das die von ihm und seinem Team entwickelte Plattform gridcert. Diese ist mit künstlicher Intelligenz bestückt, die die Prüfung der Unterlagen beschleunigt. Die unternehmenseigene Software ist unter anderem darauf programmiert, zertifizierungsrelevante Details in den Unterlagen zu entdecken und ganz allgemein den Abstimmungsbedarf aller Beteiligten zu verringern. "Im Idealfall muss die Zertifizierungsstelle den Antrag nur noch abnicken", erläutert der Jungunternehmer sein Dienstleistungsmodell.Der Elektroingenieur hat seit 15 Jahren mit der Vermessung der elektrischen Eigenschaften und der nachfolgenden Zertifizierung zu tun und auch selbst bei einer großen Zertifizierungsstelle gearbeitet. Er weiß, woran es in der Praxis hakt – auf beiden Seiten. Die Idee, sich selbständig zu machen, kam Ibsch Anfang des Jahres 2020. Da berichtete die Tagesschau, dass die Zertifizierung neuer Solaranlagen der Flaschenhals der Weiterentwicklung der Solarkraft ist. "Der Zubau muss kommen und wir kriegen die Anlagen nicht ans Netz", sagt Ibsch. "Dass es Bedarf gibt, war angesichts der Ausbaupläne der Bundesregierung schnell klar. Der von Berlin angestrebte Solarausbau ist - so lange die Zertifizierungsphase so zeitaufwändig ist - schier nicht zu schaffen,", sagt er.Er ist überzeugt davon, dass gerade die Zertifizierung von Solaranlagen ein Bereich ist, wo mit Automatisierung und Künstlicher Intelligenz eine deutliche Effizienzsteigerung möglich wird. Die von Ibsch gegründete GmbH ist seit September 2021 aktiv. Zehn Personen – Elektroingenieure, Softwareentwickler und eine Wirtschaftspsychologin - arbeiten mittlerweile im schleswig-holsteinischen Meldorf. Alle Mitarbeiter sind deutschlandweit verteilt und können mobil arbeiten. "Unsere gute IT-Infrastruktur erlaubt ein koordiniertes zeit- und ortsunabhängiges Arbeiten, ohne dass es unübersichtlich wird", erläutert er weiter.Der herkömmliche Weg eines Antrags ist von vielen unnötigen Schleifen gekennzeichnet, zahlreiche Telefonate werden geführt, E-Mails hin- und hergeschickt. So ergibt sich schnell ein Zeitaufwand von mehreren Monaten. Mit der Software von CarbonFreed sollen Redundanzen ausgeschlossen und so der Abstimmungsvorgang um 6 bis 9 Wochen beschleunigt werden.Zwölf Monate dauerte es, den internen Prototyp zu programmieren. Mittlerweile sei die Künstliche Intelligenz in der Lage, 60 bis 70 Prozent aller Schaltbilder auszulesen. Die Textgenauigkeit liegt bei 98,3 Prozent.Das sorge intern für viel Zeitersparnis. Denn aktuell wird noch nicht die CarbonFreed-Plattform gridcert als Software as a Service (SaaS) vermarktet, sondern die Dienstleistung der Vorbereitung der Unterlagen zur Vorlage bei der Zertifizierungsstelle. Die Plattform soll im Sommer gelauncht werden. "Gridcert nimmt alle Stakeholder mit, indem sie einen zentralen Ort für alle Beteiligten schafft. Fragen können so zielgerichtet gestellt werden und jeder kann die Unterlagen einsehen", erläutert Ibsch. Er will alle auf die Plattform bringen: Trafo- und Stationslieferanten, Regelungshersteller, Netzbetreiber und die Zertifizierungsstelle selbst.In der ersten Phase soll die Plattform vor allem in Deutschland vermarktet werden. Theoretisch ließe sie sich auch jenseits der Landesgrenze verkaufen, denn die deutsche Zertifizierung für Solaranlagen ist die Blaupause für viele andere Länder. "Bei der Normung geht viel über Templates. Zahlenwerte sind universell, die KI müsste dann allerdings mit Fachausdrücken in der jeweiligen Landessprache gefüttert werden."Doch das ist vorerst noch Zukunftsmusik. Das eigene Wachstum wird unter anderem durch den Engpass an Fachkräften eingebremst. Auch die richtige Balance zwischen schnellem Wachstum und Finanzierung ist für Ibsch "eine Herausforderung". Aktuell stemmt CarbonFreed das Wachstum mit eigenen Mitteln. Das Land Schleswig-Holstein möchte die Entwicklung von gridcert mit einem eigenen KI-Förderprogramm unterstützen. Im Sommer soll die browserbasierte Anwendung an den Start gehen.Derzeit arbeitet CarbonFreed mit fünf der 25 Zertifizierungsstellen in Deutschland zusammen. Zwar prüfen alle dieselben vorgeschriebenen Prüfpunkte. "Aber die Herangehensweise ist unterschiedlich", erläutert der Jungunternehmer. Gridcert soll den PV-Installateuren, die eine Anlage planen und eingeben, dabei helfen, für die Zertifizierungsstellen strukturierte und zertifizierungsfähige Datensätze vorzubereiten.Fernziel ist es, auch individuelle Berichte voll zu automatisieren. Denn die Zertifikatserstellung soll schlank erfolgen, wie Ibsch verdeutlicht. Gridcert soll dabei vor allem die Prüfung der Unterlagen beschleunigen. Der fertige Bericht kann dann im jeweiligen Template der Zertifizierungsstellen angeboten werden.Mit dem internen Prototypen haben die Meldorfer 300 Anlagenzertifikate in zwölf Monaten erstellt. "Nur bei etwa 1 Prozent der Eingangsdatensätze waren die Unterlagen vollständig. Bei den restlichen 99 Prozent verzögerte sich die Zertifizierung im Schnitt um durchschnittlich 9 Wochen", weiß der Elektroingenieur. Sei hingegen alles vollständig, könne der Zertifizierer ein Projekt direkt im ersten Anlauf abwickeln. "Der Arbeitsaufwand für die Zertifizierungsstelle wird um den Faktor 6 reduziert. Das heißt, es können 6 mal so viel Zertifikate erstellt werden", wirbt Ibsch für sein Produkt. Das Gros der Aufträge kommt aktuell von den Zertifizierungsstellen selbst. Im Einzelfall bietet CarbonFreed die Vorteile von gridcert auch jetzt schon für einzelne Kunden an. "Die Skalierbarkeit soll dann mit gridcert ab Sommer passieren", erläutert er.Die Zeit für seine Dienstleistung scheint gekommen. Denn mittlerweile kommt es vor, dass Solarteure keine Aufträge für neue PV-Anlagen mehr annehmen, weil ihnen die Vorbereitung auf die Zertifizierung zu umständlich ist und dadurch Mitarbeiter gebunden sind. Mit gridcert soll das besser werden. Die Software kommt mit genauen Angaben, welche Unterlagen nötig sind. "Viele Installateure wissen nicht, welche Informationen in welcher Güte vorzulegen sind. Aus der Tagesarbeit mit den Zertifizierern sind uns Empfindlichkeiten bekannt", erläutert Ibsch. Für ihn ist der Faktor Geschwindigkeit in der Zusammenarbeit entscheidend. "Der Installateur muss keine Fragen mehr beantworten, sondern bekommt stattdessen Zeit für die Planung neuer Projekte." 30 bis 40 Projekte pro Woche werden in Meldorf auf Vollständigkeit geprüft. Weil in 99 Prozent aller Fälle auf neue Dokumente gewartet werden muss, stockt die Abwicklung. "Eigentlich könnten wir 100 Projekte pro Woche prüfen", sagt Ibsch nicht ohne Stolz.  

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