China ist die treibende Kraft am globalen Aluminiummarkt - Gastbeitrag von Commerzbank-Analyst Daniel Briesemann

Artikel aus "MBI NE-Metalle Aktuell" vom 02.08.2017:

Aluminium weist in diesem Jahr mit einem Plus von 14 Prozent bislang die zweitbeste Preisentwicklung unter den Industriemetallen auf. Mitte Juli kostete es an der Londoner Metallbörse (LME) rund 1.930 USD je Tonne, im Frühjahr notierte es zeitweise sogar in der Nähe der Marke von 2.000 USD je Tonne. Auch an der Börse Shanghai (SHFE) hat sich Aluminium seit Jahresbeginn verteuert, allerdings nicht ganz so stark wie an der LME.


Daniel Briesemann - Commerzbank AG | MBI Infosource
Rohstoffanalyst Daniel Briesemann ist Abteilungsdirektor bei der Commerzbank (Foto: D. Briesemann)


Der Preisanstieg ist unseres Erachtens nicht gerechtfertigt, denn die Aluminiumproduktion wird seit vielen Monaten stark ausgeweitet, vor allem in China. Dort machen die hohen Preise die Produktion attraktiv. Zudem wird diese auch künstlich hochgehalten wie zum Beispiel durch subventionierte Strompreise. Im letzten Jahr wurden daneben die Aluminiumhersteller durch die Abwertung der chinesischen Währung entlastet, die im internationalen Vergleich zu geringeren Produktionskosten beitrug. Gemäß Daten des International Aluminium Institute hatte die chinesische Aluminiumproduktion im Januar mit 2,95 Millionen Tonnen bzw. fast 170.000 Tonnen pro Tag ihr bisheriges Rekordhoch erreicht. Im Juni lag sie fast wieder auf diesem Niveau. Da China mehr als die Hälfte der weltweiten Produktion stellt, wurde auch auf globaler Ebene deutlich mehr Aluminium hergestellt.

Im ersten Halbjahr lag die globale Aluminiumproduktion sechs Prozent über dem vergleichbaren Vorjahreszeitraum (Grafik 1). Sie ist damit auf dem Weg zu einem neuen Rekordhoch und dürfte hochgerechnet auf das Gesamtjahr erstmals die Marke von 60 Millionen Tonnen überschreiten. Auch mittel- bis langfristig wird die Produktion wohl weiter steigen. So soll zum Beispiel 2018 in den USA eine im Frühjahr 2016 wegen der damals niedrigen Preise stillgelegte Schmelze wieder in Betrieb genommen werden. Bis 2019 möchte einer der größten Aluminiumproduzenten im Nahen Osten seine Produktionskapazitäten um 50 Prozent erweitern. Und in Russland soll eine halb fertiggestellte Schmelze nach jahrelangem Baustopp bis 2020 vollendet werden. Allein diese drei Schmelzen haben eine kombinierte Produktionskapazität von 1,1 Millionen Jahrestonnen.


Grafik Aluminiumproduktion China 2007-2017 | NE-Metalle Aktuell | MBI Infosource


Widerstand regt sich vor allem in den USA

In China wird allerdings zu viel Aluminium produziert. Längst nicht alle Produktionskapazitäten sind in Betrieb oder voll ausgelastet. Das staatliche chinesische Research-Institut Antaike bezifferte die Kapazitäten per Ende 2016 auf gut 43 Millionen Jahrestonnen. Somit bestanden dort schon zu diesem Zeitpunkt Überkapazitäten von über elf Millionen Jahrestonnen. Und die Kapazitäten sollen bis Ende 2018 weiter auf dann 47 Millionen Tonnen ausgeweitet werden. China versucht daher, große Mengen Aluminium zu exportieren. Daten der Zollbehörde zufolge wurden im ersten Halbjahr 2,41 Millionen Tonnen Aluminium und Aluminiumprodukte ausgeführt, knapp sechs Prozent mehr als im vergleichbaren Vorjahreszeitraum.

Mittlerweile regt sich aber zunehmend Widerstand gegen die Exportflut Chinas, insbesondere in den USA. US-Präsident Trump erwägt, Strafzölle auf chinesische Aluminiumimporte einzuführen. Vielleicht auch deshalb gehen mittlerweile die Behörden in China strenger gegen die Aluminiumschmelzen vor. Laut Angaben der Nationalen Entwicklungs- und Reformkommission (NDRC) wurden unlängst in der Provinz Xinjiang Schmelzen überprüft, die nach Mai 2013 möglicherweise illegal gebaut wurden. Es ist uns aber nicht bekannt, ob daraus auch tatsächlich Produktionsschließungen resultierten.


Grafik Aluminiumproduktion und Exporte China 2012-2017 | NE-Metalle Aktuell | MBI Infosource


China Hongqiao will veraltete Kapazitäten stilllegen

Bereits Anfang März hatte die chinesische Regierung für die Heizsaison, die für gewöhnlich von November bis März läuft, eine Drosselung der Aluminiumproduktion angeordnet. Damit will sie der starken Luftverschmutzung in vielen Städten des Landes entgegenwirken. Denn während der Wintermonate wird übermäßig viel Kohle zur Wärmeerzeugung verwendet, was zur Luftverschmutzung beiträgt.

Verschiedene Medien spekulierten damals auf Produktionskürzungen von über 30 Prozent. Im Juni hatte der größte Aluminiumproduzent des Landes, China Hongqiao Group Ltd., angekündigt, veraltete Produktionskapazitäten im Umfang von 250.000 Jahrestonnen zu schließen. Ob dies alles unter dem Strich zu einer geringeren Aluminiumproduktion führen wird, ist unseres Erachtens aber fraglich. Denn zeitgleich werden neue, kostengünstige Produktionskapazitäten aufgebaut.

Die globale Aluminiumnachfrage zeigt sich sehr solide und steht auf einer breiten Basis. Hauptabnehmer sind der Transportsektor, die Bauindustrie und die Verpackungsbranche. Daran dürfte sich auch mittelfristig nicht viel ändern. So erwartet UC Rusal, einer der weltweit größten Aluminiumproduzenten, auch in den nächsten Jahren einen starken Anstieg der globalen Aluminiumnachfrage. Diesen beziffert das Unternehmen bis zum Jahr 2021 auf vier bis fünf Prozent pro Jahr. Damit weist Aluminium mit die höchsten Steigerungsraten bei der Nachfrage unter den Industriemetallen aus. Selbst wenn Rusal aus unternehmerischen Überlegungen quasi diesen Optimismus verbreiten muss, gibt es im Markt eine Reihe weiterer Beobachter und Teilnehmer, die zumindest auf kurzfristige Sicht diese Ansicht teilen.

Die seit nunmehr bald dreieinhalb Jahren fallenden LME-Aluminiumvorräte untermauern auf den ersten Blick die robuste Nachfrage. Allerdings führen wir den Lagerabbau nicht nur auf die reale Nachfrage zurück, sondern sehen dahinter auch Finanztransaktionen. Darüber hinaus gab es auch einfach nur Umschichtungen aus LME-Lagerhäusern in SHFE-Lagerhäuser. So sind wohl von den bislang in diesem Jahr über 820.000 Tonnen abgebauten LME-Beständen knapp 350.000 Tonnen in das Lagersystem der SHFE geflossen. Die börsenregistrierten Aluminiumvorräte zeigen außerdem kein umfassendes Bild. Denn nur ein kleiner Teil der gesamten Aluminiumbestände liegt in börsenregistrierten Lagerhäusern. Es wird geschätzt, dass sich global die oberirdischen Aluminiumvorräte auf etwa 14 Millionen Tonnen belaufen. Eine Knappheit deutet dies nicht an.

Dass die gute Nachfrage derzeit nicht ausreicht, das überaus reichliche Angebot vollständig aufzunehmen, zeigen die physischen Prämien in den wichtigsten Verbraucherländern bzw. -regionen. In Europa sind die Prämien zu Beginn des dritten Quartals Daten von Metal Bulletin zufolge auf 75 USD je Tonne gefallen. Dies ist die niedrigste Prämie seit dem Jahreswechsel. In den USA beträgt der Aufschlag auf den LME-Preis 160 USD je Tonne, der niedrigste Wert seit November. Und in Japan, dem größten asiatischen Importeur von Aluminium, haben sich Produzenten und Konsumenten vor einigen Wochen auf eine Prämie von 118 USD je Tonne für das dritte Quartal geeinigt.

Da der globale Aluminiummarkt unseres Erachtens gut versorgt ist, halten wir eine Preiskorrektur für notwendig. Wir erwarten einen Preisrückgang unter 1.800 USD je Tonne. Höhere Preise sind aus unserer Sicht nur dann zu rechtfertigen, wenn in China die Produktion im großen Stil gedrosselt wird und im Zuge dessen auch die Exporte zurückgefahren werden.

 

Weitere Informationen zu unserem Fachinformationsdienst "NE-Metalle Aktuell" erhalten Sie unter diesem Link

> Daniel Briesemann ist Referent auf dem MBI Stahl Tag am 17.-18. Oktober in Frankfurt am Main. Alle Informationen zur Konferenz erhalten Sie HIER <