Nach dem Ende des Streiks bei VW Slovakia - Brückner Maschinenbau erwartet verschärften Kampf um Fachkräfte

Artikel im "MBI Einkäufer im Markt" vom 03.07.2017:

Vergleichsweise niedrige Löhne, hohe Flexibilität, keine Streiks – Mittel- und Osteuropa galten bislang als zuverlässige verlängerte Werkbank der deutschen Industrie. Diese Zeiten neigen sich dem Ende zu, wie der Arbeitskampf bei Volkswagen Slovakia gezeigt hat: Nach dem ersten Streik in der 25-jährigen Unternehmensgeschichte zahlt der Autobauer seinen rund 12.000 Beschäftigten in der Slowakei 14 Prozent mehr Lohn. Der Abschluss erstreckt sich über eine Laufzeit von 27 Monaten.

Das von der Gewerkschaft ursprünglich geforderte Lohnplus um 16 Prozent hatte VW zunächst als überzogen abgelehnt und eine schrittweise Erhöhung um knapp 9 Prozent in den nächsten zwei Jahren angeboten. Dass der jetzt erzielte Abschluss näher an der Gewerkschaftsforderung liegt, sagt einiges über die geänderten Kräfteverhältnisse aus – die Arbeiter bei VW Slovakia saßen am längeren Hebel. Dafür spricht auch die relativ kurze Dauer des Streiks, der am 20. Juni begonnen hatte und am 25. Juni von der Gewerkschaftsführung für beendet erklärt wurde. Nach Angaben des Gewerkschaftsvorsitzenden Zoroslav Smolinsky haben sich bis zu 10.000 der 12.300 Beschäftigten an der Arbeitsniederlegung beteiligt. Unterstützt wurden die Streikenden durch den slowakischen Regierungschef Robert Fico. In Bratislava würden die teuersten Autos des Volkswagenkonzerns gefertigt – „Warum also sollten die Beschäftigten hier nur ein Drittel dessen bekommen, was ihre deutschen Kollegen verdienen?“, fragte Fico rhetorisch.


Mit dem ersten Streik nach 25 Jahren erkämpften sich die Beschäftigten im VW-Werk Bratislava 14 Prozent mehr Lohn (Foto: Volkswagen)


Jens Kuschke zeigt Verständnis für die Motive der VW-Arbeiter: „Die Lebenshaltungskosten in der Slowakei sind in den vergangenen Jahren drastisch gestiegen, während die Löhne mit der allgemeinen Preissteigerung nicht mitgehalten haben“, sagte der Leiter des Globalen Einkaufs bei der Brückner Maschinenbau GmbH & Co. KG zu Einkäufer im Markt. Insofern sei der Abschluss bei VW Slovakia „ein Stück weit Normalisierung“. Zudem sei das Werk in Bratislava das modernste und effizienteste Volkswagenwerk weltweit. So betrachtet, dürften die 14 Prozent nicht überbewertet werden.

Für die im oberbayerischen Siegsdorf ansässige Brückner Maschinenbau ist die Slowakei ein bedeutender Beschaffungsmarkt. Das Unternehmen lässt in Topolcany im Westen des Landes Produktionsanlagen vormontieren und nutzt den Standort auch als Beschaffungsknotenpunkt für die gesamte Gruppe. Über die steigenden Löhne macht sich Kuschke nach eigenen Worten keine großen Sorgen, sehr wohl aber über die Knappheit an qualifizierten Arbeitskräften.

Und das zu Recht: Auf dem größten slowakischen Arbeitsportal www.profesia.sk fanden sich Ende Juni über 9.400 Stellenangebote allein in der Autoindustrie. Die Arbeitslosenrate liegt bei etwas mehr als 7 Prozent.

Laut Beschaffungsmanager Kuschke tobt der Kampf um Fachkräfte in der Westslowakei besonders hart. Dort haben VW, PSA Peugeot Citroën und Kia ihre Werke. Und mit Jaguar Land Rover ist bereits der vierte Autobauer dabei, sich im Land anzusiedeln – die Produktion soll Ende 2018 starten. Kuschke erwartet, dass die Unternehmen in der Slowakei künftig verstärkt auf Arbeitskräfte aus Südosteuropa zurückgreifen werden, vor allem aus Rumänien. Dass der Lohndruck dadurch nachlassen wird, sei unwahrscheinlich, dafür sei die Nachfrage seitens der Unternehmen einfach zu hoch. Für ein mittelständisches Unternehmen wie Brückner Maschinenbau werde es nicht einfacher werden, mit den Automobilherstellern um qualifiziertes Personal zu konkurrieren. Kuschke hält dem Standort Slowakei dennoch die Treue: „Die Löhne liegen immer noch deutlich unter dem westeuropäischen Niveau.“ Für die Slowakei spreche zudem die gut ausgebaute Infrastruktur. Dies gelte allerdings nur für den Westen des Landes, nicht für den weniger entwickelten Osten. Auch deshalb sieht Kuschke keine Gefahr, dass ausländische Investoren durch die steigenden Löhne abgeschreckt werden und in die Ostslowakei abwandern könnten.

kri/APA/AFP

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> Dr. Jens Kuschke ist Referent auf dem MBI Stahl Tag am 17.-18. Oktober in Frankfurt am Main. Alle Informationen zur Konferenz erhalten Sie HIER <